Februar 2009
Wie geht es dir?
„Wie geht es dir?“ Das fragen wir oft, wenn wir anderen Menschen begegnen, zum Beispiel in der Familie am Morgen.
Wie geht es uns, wenn wir das fragen, und wie geht es den anderen dabei? Geht es uns besser? Geht es den anderen besser? Verstecken wir uns vielleicht hinter dieser Frage? Der andere merkt es, ohne dass er vielleicht sagen kann, wieso ihn diese Frage eher von uns trennt als ihn mit uns verbindet? Denn mit dieser Frage verschiebe ich vielleicht etwas auf den anderen, was eigentlich mir zukommt zu tun.
Statt dass ich etwas tue, was mir etwas abverlangt, muss der andere etwas tun. Aus Verlegenheit sagt er dann vielleicht, dass es ihm gut geht oder nicht ganz so gut. Aber sagt er mir damit die Wahrheit? Oder ist seine Antwort eher eine Zurückweisung, weil er sich von mir nicht wirklich gesehen weiß und die wirkliche Anteilnahme vermisst?
Ich kann aber den anderen zuerst anschauen mit Anteilnahme.
Dann sehe ich sofort, wie es ihm geht. Statt dass ich ihn frage, sage ich ihm etwas, da ihm mein Verstehen zeigt und mein Wohlwollen.
Zum Beispiel: „Heute fällt es dir nicht so leicht, die Augen aufzuhalten.“ Oder: „Fröhlich bist du aufgewacht.“ Oder: „Ich freue mich, dich so gut gelaunt zu sehen.“ Oder: „Wenn du etwas brauchst, sage es mir, ich bin für dich da.“ Oder, wenn der andere in Eile ist, in der er sich vielleicht verliert: „Besser langsam als daneben.“
Welche Wirkung haben solche Worte auf den andern – und auch auf mich? Eine gute. Allerdings muss ihnen vorausgegangen sein, dass ich den anderen angeschaut und wahrgenommen habe, und dass auch er mich angeschaut und wahrgenommen hat.
Wie geht es uns dann? Beiden besser.
Auszug aus dem Buch: Erfülltes Dasein von Bert Hellinger; Verlag Herder